Hermann Lotze
Dippoldiswalde (Dresden) 1829 - Leipzig 1875
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Geehrtester Freund!
Ihr Brief ist mir lange ganz unverständlich gewesen. Ich kenne Herrn Professor Ascoli nicht; ich beschäftige mich auch nicht mit Linguistik; ich verstehe nichts vom romanischen Dialecte, bin auch nicht in Bressanone gewesen und habe noch weniger von dort irgend welche Documente mit fortgenommen. Deshalb wusste ich lange Zeit gar nicht, wie ich mir Ihre Worte erklären sollte, zuletzt hat mich ein glücklicher Einfall meines Sohnes wahrscheinlich auf die richtige Spur gebracht. Es existirt nämlich ein anderer Gelehrter, der ganz wie ich, Hermann Lotze heisst, auch wirklich mein Cousin ist, obwohl ich ihn nicht kenne, und der sich seit langer Zeit mit Linguistik erfolgreich beschäftigt hat. Er lehrt aber nicht in Göttingen, sondern in Leipzig, wo er früher Privatdozent an der Universität war; ich weiß nicht, ob er das jetzt noch ist. Diesen hat ohne Zweifel Herr Ascoli gemeint. Ich bedaure, dass ich Ihnen die genaue Adresse des Herrn Lotze nicht angeben kann; allein Herr Ascoli darf sich nur an Professor Fleischer in Leipzig oder an Professor Brockhaus ebendaselbst wenden; beide werden den fraglichen Herrn aufzufinden wissen.
Ich habe heute nicht die Zeit, noch auf die philosophischen Gegenstände einzugehn, welche Sie erwähnen; ich freue mich jedoch im Voraus, bald wieder einer Arbeit von Ihrer Hand zu begegnen.
Erwähnen muß ich noch, dass ich ein Brief von Ihnen verloren gegangen zu sein scheint. Nachdem Sie mir die Hefte der Antologia mit einem Briefe geschickt haben, auf den ich Ihnen antwortete, habe ich eine zweite Nachricht von Ihnen nicht erhalten.
Mit den herzlichsten Glückwünschen zu dem bald beginnenden neuen Jahre und mit alten Freundlichkeit und Hochachtung,
Ihr | ganz ergebenster | Hermann Lotze
Göttingen, 21 Dec 69.