Das Projekt
Forschungsziele
Eine Forschung zu den Beständen an philosophischer Literatur in den Privatbibliotheken von Philosophen, Wissenschaftlern und Gelehrten der Neuzeit erlaubt es, an ein Forschungsfeld anzuknüpfen, das lange vernachlässigt worden war, um heute auf immer größeres Interesse zu stoßen, wie beispielsweise die letzten Veröffentlichungen von den wichtigen Bibliotheken Schellings und Nietzsches belegen.
Ausgewählte Kataloge und Inventare der Bibliotheken der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen, könnte nicht nur dazu dienen, die “materielle” Geschichte der Institutionen zu rekonstruieren, sondern auch unter einem weiteren Blickwinkel das kulturelle Profil einzelner Autoren oder größerer Zeiträume der europäischen Geistesgeschichte herauszuarbeiten.
Die Verfügbarkeit von privaten Bibliotheken, die in verschiedenen europäischen Ländern im Lauf der letzten vier Jahrhunderte zusammengestellt wurden, ist demnach von Nutzen für folgende Forschungsinteressen:
- die Studien, Kompetenzen und Interessen eines Autors zu belegen mittels der Liste seiner Bücher;
- die Verbreitung und Rezeption seiner Schriften zu untersuchen, wobei die Untersuchung der Bibliotheken auf die folgenden Generationen ausgedehnt wird;
- die Physiognomie einer intellektuellen Epoche besser kennen zu lernen;
- die Geschichte der Veränderungen der privaten Bibliotheken beim Übergang von einer Epoche zur anderen zu untersuchen, um derart Beiträge zu einer Art von “Soziologie der Bibliothekssysteme“ zu liefern;
- die Übergänge auf der Ebene der “Wissenssysteme” zu verzeichnen, sowie der Beziehungen der verschiedenen Disziplinen zueinander (es kann aufschlussreich sein, zu sehen, wie die philosophischen Bestände in den Bibliotheken von Juristen, Linguisten, Naturforschern usw. sich entwickeln);
- die Verbreitung von Texten oder Textsammlungen, die äußerst selten sind, zu verfolgen.
Die Kenntnis der privaten Bibliotheken erlaubt in vielen Fällen, inzwischen hinfällig gewordene Interpretationen richtig zu stellen und einen Autor der Vulgata der Handbücher zu entreißen. Das Verzeichnis der griechischen Bibliothek von Francesco Patrizi beispielsweise lässt unmittelbar die Absicht erkennen, “die >Enzyklopädie< der platonischen Wissenschaften heraus- und sie der aristotelischen gegenüberzustellen, da in jener neben der Theologie und der Philosophie, die Musik, die Mathematik, die Poesie, die Rhetorik und die Gedächtniskunst eine zentrale Rolle spielen (Muccillo 1993). In analoger Weise erlaubt ein Blick auf ein Verzeichnis der Bibliothek Diltheys, die ganze Breite einer philosophischen Spekulation auszumessen, die sich hartnäckig darum bemüht, den Dialog mit der Naturwissenschaft seiner Zeit aufrecht zu erhalten, ganz entgegen der proklamierten Autonomie der Geisteswissenschaften. Und genauso Nietzsche, dessen Bibliothek belegt, dass er mit der „Geduld des Philologen“ Texte der unterschiedlichsten Disziplinen studierte, und, anders als der „Kult der Genialität“ in all seinen Formen nahe zu legen scheint, die Entwicklung des positiven Wissens in den verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen aufs engste verfolgte.
Die Kataloge der Privatbibliotheken geben einen ersten Überblick und bilden einen Referenzpunkt für die Vergleichung, Bestimmung und Wertung der darin enthaltenen Bücher. Aufgrund seines Mehrzweckcharakters bietet ein solches Instrument den Forschern die Möglichkeit, bei bestimmten Punkten in die Tiefe zu gehen und implizite Zusammenhänge zu erhellen, die bedeutsam sind für die Herausbildung der philosophischen Traditionen und Forschungsgebiete. Dabei kann man natürlich nicht auf die Arbeiten verzichten, die bisher in diesem Forschungsbereich geleistet wurden, und im Bereich dieser Studien kann dieses Projekt einen umfangreichen und wichtigen Beitrag zur Kenntnis der Katalogquellen leisten.
Die Rekonstruktion, hauptsächlich mittels notarieller Akten oder Verkaufskataloge, von wichtigen philosophischen Bibliotheken soll nicht dazu dienen, auf der Ebene der historischen Forschung die “intellektuelle Biographie” oder gar nur nutzloses Material reiner Gelehrsamkeit zu liefern. Die Absicht ist vielmehr die, den Nutzen dahin gehend auszudehnen, dass man zu Resultaten gelangt, die die Forschungen zur philosophischen Geschichtsschreibung voranbringen, wobei der gewachsenen Bedeutung von Forschungen zur “Kulturgeschichte” oder der "history of ideas" englischer Herkunft oder aber der "Begriffsgeschichte" deutscher Herkunft Rechnung getragen wird.
Das Hauptziel besteht darin, Materialien ins Netz zu stellen, die eine besondere Bedeutung innerhalb des oben ausgeführten theoretischen Rahmens haben. Damit würde eine echte Datenbank zu den „Bibliotheken der Philosophen“ entstehen, und zu den philosophischen Texten, die sich im Besitz der Gelehrten und Wissenschaftler fanden. Diese Datenbank würde es erlauben, Bestände zu erschließen, die andernfalls verstreut wären, und damit eine Rekonstruktion der Kulturgeschichte erlauben, die die Zirkulation der Ideen im Auge hätte, mittels einer genauen Erhebung der Quellen in Form von Bücherbeständen.
Art der Präsentation der Projektbeschreibungen